Jagdkommando trainiert ÖJC-Journalisten

Jagdkommando trainiert ÖJC-Journalisten

Den April 2024 widmet der ÖJC dem Schwerpunktthema „Sicherheit“ – und ermöglichte es einigen Mitgliedern, beim Jagdkommando-Training für Einsätze in Krisengebieten dabei zu sein. „Ich hoffe, alles, was sie in den letzten drei Tagen bei uns gelernt haben, werden sie nie in ihrem Leben brauchen“, verabschiedete sich Oberst Rudolf Weissenbacher am Donnerstagvormittag, den 11.4.2024. Hier der Erfahrungsbericht von ÖJC-Mitglied Dieter Reinisch, Korrespondent für internationale Medien.


Los ging das dreitägige Outdoor-Seminar „Journalisten im Einsatz“ mit der Anreise aus der Rossauer Kaserne und einem Vortrag des ORF-Korrespondent Christan Wehrschütz über Live-Erfahrung in Krisengebieten. Danach ging es direkt in die thematischen Workshop: Erste Hilfe auf dem Kampffeld, Orientierung im Gelände und auf Karten, Phasen der Geiselhaft, Verhalten bei Checkpoints. Alles verbunden mit praktischen Elementen.

Beamte des Außenministeriums berichteten über die Hilfe, die Konsulate und Botschaften in Krisenregionen uns Journalisten bieten können. Christoph Sternat, Büroleiter in Ramallah im Westjordanland, berichtete über seine Arbeit in der Evakuierung österreichischer Staatsbürger aus dem Gazastreifen im Herbst 2023.

Fotos durften wir selbst nicht machen. Es gibt nur die offiziellen Aufnahmen. Die Mitglieder des Jagdkommandos sollen anonym bleiben, wurde uns gesagt. Nur mit Spitz- und Kosenamen wurden sie angesprochen.

Dann Übungseinsatz am Garnisonsübungsplatz Blumau. In den Ruinen einer Munitionsfabrik aus dem Ersten Weltkrieg hieß es Quartier aufschlagen. Laub wurde weggeschafft, die offenen Fenster mit Planen verschlossen und die Löcher aus denen Ratten krochen mit Ziegeln geschlossen. Aber geschlafen wurde in dieser Nacht ohnehin kaum.

Um 6 Uhr morgens stand Übungsleiter „Poldi III.“ mit Trompete neben uns. Rasch anziehen, Zähneputzen und Nachtlager abbauen, denn um 7 Uhr ging es mit der nächsten Einheit „Klausi“ weiter: Kabelbinder in Gefangenschaft entfernen. Davor zeigte uns „Dose“ noch die unterschiedlichen Arten des Spannens von Planen für das Nachtquartier im Freien.

Danach ging es von Blumau weiter zum Sprengplatz: Minen, Streumunition und Blindgänger wurden vorgeführt, auf die Journalistinnen und Journalisten in Kriegsgebieten treffen können und aus dem Bunker wurde die Detonation unterschiedlicher Sprengsätze beobachtet.

Am Schießplatz zeigte „Junior“ welche Materialen Schutz Handfeuerwaffen, Maschinen und Sturmgewehren bieten. Vor Letzterem ist man nirgendwo sicher. Und VW-Busse bieten nicht einmal Schutz vor Maschinengewehrsalven. Anders als in den meisten Hollywoodfilmen gezeigt wird: „Das war das Ziel dieser Vorführung“, zeigte sich „Junior“ schließlich zufrieden mit unserer erworbenen Erfahrung.

Spätabends wurde uns dann noch versichert, in der Kaserne Götzendorf das „Verhalten bei Checkpoints“ zu trainieren. Doch der Checkpoint wurde angegriffen. Zwei Sprengfallen wurden gezündet, der Mannschaftstransporter beschossen und wir gefesselt. Schließlich waren wir wohl als „feindliche Journalisten“ getarnte Spione angesehen worden – so behauptete die „Alliance for Social Society Change“ (ASSC).

Ihre Forderungen, die wir die Nacht durch des Öfteren wiederholen mussten: Anerkennung als Partei, freier Zugang zur Berichterstattung über ASSC im ORF und eine festgelegte Anzahl an Goldbarren je gefangenem Journalisten.

Es folgte eine unbequeme LKW-Fahrt, stundenlanges Stehen, Sitzen, Knien und Hocken in dunklem Raum, das Befolgen teils verwirrender Befehle, eine fehlgeschlagene Befreiung durch ein Kommando der Cobra in der Mitte der Nacht und schließlich nach längerem Schusswechsel die endgültige Evakuierung durch das Jagdkommando am Morgen des dritten Tags.

Das Jagdkommando hatte sich sichtlich Mühe gegeben: Im Kasernenkeller lag eine lebensgroße Puppe als erschossene Leiche eines Geiselnehmers in frischer Blutlacke. Gestört hat das die Anwesenden in dem Moment kaum, denn ich und meine 14 Kolleginnen und Kollegen waren gerade nach fast 12-stündiger Geiselhaft befreit worden und mittels drei Hubschrauberflügen aus der Gefahrenzone in der Wallenstein-Kaserne Götzendorf in morgendlichen Flügen über das südliche Niederösterreich nach Wiener Neustadt evakuiert worden.

Auch wenn es nur ein Training war – für uns Journalistinnen und Journalisten waren es drei äußerst lehrreiche Tage mit einer Flut an Informationen. Wir sahen zwar etwas mitgenommen aus: tiefe Augenringe, ungewaschene Haare und stechender Schweiß- und Sandgeruch – nach fast genau 53 Stunden nahezu ohne Körperpflege und Schlaf. Drei Tage die uns auf den Einsatz in Krisenregionen vorbereiteten und einigen Kolleginnen und Kollegen wohl wieder vom Plan, Kriegsreporter zu werden, abbrachten.

Dr. Dieter Reinisch FRHistS FHEA ist Korrespondent für internationale Medien. Zuletzt erschien von ihm „Learning behind bars: How IRA prisoners shaped the Peace Process in Ireland“ (University of Toronto Press, 2022) und „Terror: Eine Geschichte der politischen Gewalt“ (Promedia, 2022).


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Theorie-KursNachtlager in RuineGeiselbefreiungJagdkommando-Einsatzalle Fotokredits: Gunter Pusch/ HBF