Das Redaktionsgeheimnis – ein Mythos?

Das Redaktionsgeheimnis – ein Mythos?

Der Auftakt zur neuen Gesprächsreihe „Journalismus und Recht“ mit Mag. Katharina Braun am 19.4.2023 beschäftigte sich im ÖJC-Pressesalon mit dem „Redaktionsgeheimnis“.

Mag. Katharina Braun ist Rechtsanwältin, Inhaberin einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei und Vertrauensanwältin des ÖJC, die auch die Rechtsberatung für ÖJC-Mitglieder durchführt. Im Gespräch mit ÖJC-Präsident Ing. Norbert Welzl ging es um das Thema Redaktionsgeheimnis, um das sich viele Mythen und Annahmen – wie auch bei anderen Berufsgeheimnissen wie Bankgeheimnis, Beichtgeheimnis, Anwaltsverschwiegenheit – ranken.

Was im Gespräch jedoch für Verwunderung sorgte ist die Feststellung, dass ein Informant grundsätzlich kein Recht auf die Wahrung auf seine Anonymität hat. Es sei denn, er hat mit dem Journalisten einen Vertrag abgeschlossen. Berufen kann sich auf das Redaktionsgeheimnis in erster Linie also der Journalist, der Medienmitarbeiter, Herausgeber und unter begründbaren Umständen sogar ein Druckereimitarbeiter oder ein Wachdienstmitarbeiter eines Redaktionsgebäudes.

Ebenso aufklärend waren die Verhaltenstipps für die aus gegebenen Anlass bereits öfter vorkommenden Hausdurchsuchungen bei Medienhäusern. Die Filmfloskel „Nicht ohne meinen Anwalt“ hat tatsächlich Bedeutung! Weiters ist es ratsam, den Hausdurchsuchungsbefehl des Staatsanwaltes genau zu lesen und sich im Beisein von Anwälten oder Vertrauensperson kooperativ zu zeigen, um nicht eine gerichtliche Handlung zu vereiteln oder den Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt zu verwirklichen. Andererseits muss dann darauf geachtet werden, dass die Hausdurchsuchung nicht rechtswidrig durchgeführt wird. Erheiternd war die Schilderung von Mag Braun, dass einmal ein Anwalt mit einem Koffer voller Akten von einer Hausdurchsuchung davongelaufen ist und damit versucht hat, sich der Amtshandlung zu entziehen.

Wir können uns noch gut erinnern, wie Mobiltelefone beschlagnahmt und Kommunikationsinhalte von Politikern mit Journalisten veröffentlicht wurden, die doch das Redaktionsgeheimnis bei einer ersten Betrachtung zumindest einmal berühren. Somit ist auch die Observation eines Journalisten oder die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs Thema. Auch hier ist wie bei einer Hausdurchsuchung immer zuerst die Frage zu stellen, ob man als Journalist als Beschuldigter oder als Zeuge gesehen wird, denn als Beschuldigter muss man sich nicht selbst belasten und darf sogar lügen.

Die größte Arbeit dürfte jedoch die Auswertung von beschlagnahmten Datenträgern wie insbesondere Mobiltelefone sein. Dort hat man sozusagen fast sein gesamtes aktuelles Privat- und Berufsleben gespeichert. So sind Chats, E-Mails, Kalendereinträge und oft auch zahlreiche Fotos, die eindeutig dem Privatleben zuzuordnen sind, auf diesen Geräten gespeichert. Ein prominenter Fall eines Medienunternehmens hat gezeigt, dass Fußpflegetermine nur dann dem Schutz des Redaktionsgeheimnisses zuzuordnen sind, wenn die Wahrnehmung dieser erklärbaren und nachvollziehbaren Recherchezwecken dienen. Beruhigend war dann die Erläuterung, dass es bei verschlüsselten Datenträgern keine Beugestrafen gibt, wenn man das Passwort nicht bekannt gibt.

Abschließend wurde noch das Thema gestreift, was es mit dem Zitieren von Gerichtsakten auf sich hat. Im Gegensatz zu Deutschland ist es in Österreich derart freizügig, dass Beschuldigte oft ihre Anklageschrift über die Medien früher lesen können als auf dem gerichtlichen Postweg. Derzeit ist nämlich diese Freizügigkeit, die es beispielhaft in Deutschland nicht gibt, wieder im politischen Gespräch.

Ein spannender Abend mit doch kontroversiellen juristischen Aspekten zwischen den Ansprüchen der Strafverfolgung und der Wahrung der Pressefreiheit und dem Schutz des höchsten Guts unserer Branche, nämlich des Redaktionsgeheimnisses.

Eine kurze Video-Zusammenfassung dieses Talks können sie unter https://youtu.be/P-a77omVmVc nachsehen!

Text und Fotos: Ing. Norbert Welzl

Mag. Braun im ÖJCÖJC-Präsident WelzlMag. Braun im ÖJC-Talk